Staatsbankrott III
In Europa wurden Rettungsschirme erfunden und durch politische Entscheidungen beschlossen und eingeführt.
Vor dem Hintergrund der massiven, finanziellen Probleme in Griechenland und im Hinblick auf weitere „Wackelkandidaten“ haben sich die europäischen Staaten gezwungen gesehen, zunächst einen zeitlich befristeten Nothilfefonds (Rettungsschirm) einzurichten. Damit wurde mit dem bisherigen Grundsatz, dass jeder Staat für die Lösung seiner finanziellen Probleme selbst zuständig ist, gebrochen. Zudem haben sich die einzelnen Staaten bereit erklärt, für finanzielle Risiken anderer Staaten einzustehen und hierfür auch die eigene Liquidität und damit letztlich die der eigenen Bürger - sei es zunächst nur indirekt über die Gewährung von Bürgschaften und Garantien – einzusetzen.
Schließlich wurden sogar die Zentralbanken dazu gebracht, ihrerseits minderwertige Staatsanleihen zu erwerben, um Kredite von Banken an Mitgliedsstaaten abzusichern. Die vorrangige und alles überragende Aufgabe der Zentralbanken war bisher die Aufrechterhaltung der Geldwertstabilität. Jetzt haben sie weitreichende Risiken übernommen. So soll beispielsweise allein die Europäische Zentralbank mittlerweile Griechische Staatsanleihen in einem Umfang von 49 Milliarden Euro und damit 23 Prozent des Gesamtvolumens halten.
Damit ist ein großes Spannungsfeld entstanden. Einerseits ist es das erklärte Ziel aller europäischen Staaten, den Euro als Währung zu halten und zu stützen. Andererseits wird dies auf Dauer ohne die Möglichkeit von Sanktionen gegenüber Staaten und als Ultima Ratio deren Ausschluss aus dem Währungsverbund, kaum gelingen.
In Zukunft müsste es auch darum gehen, diejenigen, die lange Zeit als Kreditgeber erheblich verdient haben, in das wirtschaftliche Risiko einzubeziehen.
Das bisherige System, in dem mehr oder weniger ohne Sorgen Zinsen erwirtschaftet wurden, kann so nicht weiter bestehen. Das wirtschaftliche Risiko muss sich abbilden. Zugleich besteht jedoch auch die – teils interessengeleitete - Sorge, dass über mögliche Insolvenzen großer Kreditinstitute, die als systemrelevant angesehen werden, unabsehbare Folgen entstehen könnten. Aus diesem Grund sind seit dem Jahr 2008 in Deutschland politische Entscheidungen getroffen worden, die kurzfristige Insolvenzen von Banken verhindert haben. Zeitlich befristet wurde beispielsweise § 19 der Insolvenzordnung so geändert, dass insbesondere Banken nicht mehr gezwungen waren, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Diese waren zwar überwiegend formal überschuldet, konnten die weitere Zeit jedoch nutzen, um über so genannte Bad-Banks Risiken auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch nicht, dass es zum Jahreswechsel 2008/2009 zu einer „Kreditklemme“ kam, weil der Wirtschaft von den Banken nicht genügend Liquidität zur Verfügung gestellt wurde. Die Banken misstrauten einander derart, dass sie sich gegenseitig keine Zahlungsmittel ausliehen. Auch hier musste bereits der Staat einspringen.
Insbesondere in Europa hat die Diskussion über staatliche Insolvenzen und deren Abwehr in den vergangenen Monaten eine deutliche Dynamik entfaltet.
Diese gipfelt derzeit darin, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs am 25. März 2011 auf eine grundlegende Reform ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie die Einrichtung eines ständigen Rettungsfonds (ESM) für Not leidende Partner geeinigt haben. Die 27 Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten wollen jetzt mehrjährige Pläne zur Konsolidierung ihrer Haushalte aufstellen. Die Planungen aller Länder werden künftig strenger überwacht. Auch werden die 17 Länder der Währungsunion künftig ihre Steuer-, Sozial- und Lohnpolitik abstimmen. Zudem wurde dabei die Errichtung eines ständigen Nothilfefonds beschlossen. Der ständige Rettungsfonds darf selbst Kredite vergeben und neue Staatsanleihen aufkaufen. Deutschland trägt einen Anteil von 27,1 Prozent an allen finanziellen Aufwendungen. Erstmalig wird direkt und damit „körperlich“ Liquidität eingebracht.
Nach dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs werden von Juli 2013 an in alle neuen Staatsanleihen von Euro-Ländern, die länger als ein Jahr laufen, Umschuldungsklauseln aufgenommen. Damit soll ein Teil des Risikos auch auf die Gläubiger, die letztlich mit Forderungsausfällen rechnen müssen, übergehen. Diese Regelung dürfte weit reichend sein. Künftig können die Gläubiger nicht mehr sicher sein, ihre Zinsen auf Dauer, wenn auch erst nach Umschuldungsmaßnahmen, in voller Höhe zu erhalten. Durch Forderungsausfälle dürften sogar Verluste entstehen.
Im EU-Gipfel vom 24. Juni 2011 wurden die Regelungen soweit präzisiert, dass der zeitlich befristete Rettungsschirm (EFSF) auch von den einzelnen Länderparlamenten ratifiziert werden konnte. Darüber ist eine große Debatte entstanden, ob und inwieweit der Deutsche Bundestag seine Haushaltshoheit aufgeben kann und darf. Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. September 2011 in drei Verfasungsbeschwerden gegen die Griechenland-Hilfe deutlich gemacht, dass zumindest der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in Einzelentscheidungen zu Auszahlungen einzubeziehen ist. Die grundsätzliche Zulässigkeit der EU-Rettungsschirme wurde bejaht. Der Deutsche Bundestag hat dem EFSF am 29. September zugestimmt, ihn zugleich von seinem Volumen her ausgeweitet und zusätzliche Kompetenzen eingeräumt. Er darf jetzt selbst finanzielle Hilfen an Banken leisten und Staatsanleihen aufkaufen.
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