Können werkvertragliche Mängelrechte auch ohne Abnahme geltend gemacht werden?
Muss der Auftraggeber einer Baumassnahme ein nicht abnahmefähiges Werk trotz offensichtlicher Mängel abnehmen? Wie sieht es mit Schadensersatz oder Nacherfüllung aus? Dazu hat der Bundesgerichtshof jetzt ein Urteil gesprochen.
In Rechtsprechung und Literatur bestand lange Zeit Uneinigkeit darüber, ob die werkvertraglichen Mängelrechte vom Auftraggeber bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden können. Hierzu wurden unterschiedlichste Rechtsauffassungen vertreten.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in der Entscheidung VII ZR 235/15 hierzu grundsätzlich entschieden, dass der Auftraggeber erst nach der Abnahme Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Dreh- und Angelpunkt sei der Zeitpunkt der Abnahme.
Hier sei eine Zäsur zu machen. Bis dahin habe es der Auftragnehmer in der Hand, wie er eine mangelfreie Herstellung gemäß § 631 Abs. 1 BGB herbeiführt und den Anspruch des Auftraggebers erfüllt. In dieser „Herstellungsphase“ sei der Auftraggeber durch seine Erfüllungsansprüche und durch die Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechtes, die teilweise vor Fälligkeit bestehen können, wie sich aus § 323 Abs. 4 BGB ergebe, hinreichend geschützt. Bereits der Begriff der „Nacherfüllung“ belege, dass die Gewährleistungsrechte sich erst nach der Herstellung ergeben können. Ein Vergleich des § 635 Abs. 3 BGB mit § 631 Abs. 1 BGB belege, dass es zwischen dem Herstellungsanspruch und dem Nacherfüllungsanspruch Unterschiede gebe. Deshalb könnten diese nicht nebeneinander bestehen.
Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass für den Zeitpunkt, ab dem Mängelrechte geltend gemacht werden können, auf die Abnahme abzustellen sei, dies auch zu interessengerechten Ergebnissen führe.
Vor der Abnahme habe der Auftraggeber den Herstellungsanspruch, den er gegebenenfalls einklagen und nach § 887 ZPO vollstrecken könne. Bis zur Abnahme verbleibe die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werkes bei dem Auftragnehmer, bis zur Abnahme sei der Werklohn nicht fällig. Der Auftraggeber trage nicht die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln in der Phase, in der er den Herstellungsanspruch geltend macht. Der Auftraggeber sei auch hinreichend geschützt. Er könne bis zur Abnahme Schadenersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, Schadenersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB, Schadenersatz wegen Verzögerung der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB geltend machen, vom Vertrag zurücktreten nach § 323 BGB oder die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB aussprechen. Der BGH verkenne nicht, dass der Schadenersatzanspruch statt der Leistung im Gegensatz zum Gewährleistungsrecht ein Verschulden des Auftragnehmers voraussetze. Dieses liege aber vor, wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verstreichen lässt.
Schließlich sei der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, ein nicht abnahmefähiges Werk abzunehmen.
Sodann kommt der Bundesgerichtshof aber zum Ergebnis, dass trotz dieser Überlegungen in bestimmten Ausnahmefällen der Auftraggeber Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend machen kann. Das sei dann der Fall, wenn er keine Vertragserfüllung mehr geltend machen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei. Ein solches Abrechnungsverhältnis entstehe, wenn der Auftraggeber nur noch Schadenersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadenersatzes geltend mache oder die Minderung des Werklohnes erkläre.
Der BGH verweist insoweit auf seine frühere bisherige Rechtsprechung, an der er jedenfalls für den Fall festhält, dass der Auftragnehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Er begründet dies damit, dass, sollte der Auftraggeber Schadenersatz statt der Leistung geltend machen, der Anspruch auf die Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen sei. Der Fall, dass der Auftraggeber Minderung geltend mache, sei dem gleichgestellt.
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