Gesundheitsschäden
Gesundheitsschäden beim Verletzten unter Berücksichtigung verletzungsunabhängiger Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere im psychischen Bereich.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine volle Haftung des Schädigers für eine gegenüber dem Geschädigten zumindest fahrlässig herbeigeführte Körperverletzung gemäß § 823 BGB bereits dann anzunehmen ist, wenn das Verhalten des Schädigers nicht die alleinige Ursache für die Schadenszufügung war. Eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur „Auslöser“ neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich.
Diese Rechtsprechung gilt auch für das Arzthaftungsrecht. Der Arzt haftet danach nicht nur dann, wenn sein Fehler die alleinige Ursache für die gesundheitliche Beeinträchtigung des Patienten ist. Auch eine Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers, sei er auch nur als Auslöser neben erheblichen anderen Umständen, stehe der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Insoweit kommt eine Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler auch für eine bloße Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers in Betracht.
Wenn der Geschädigte bereits durch Vorschäden oder eine besondere Schadensanfälligkeit belastet ist, ist das von besonderer Bedeutung.
Es gilt hier der Grundsatz, wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Bei psychischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ist es oft schwierig gesundheitliche Beeinträchtigungen von einem vorbestehenden, die Gesundheit des Geschädigten belastenden Zustand abzugrenzen. Eine bloße Mitverursachung des Schadenereignisses, sei sie auch nur Auslöser reicht deshalb für eine volle Haftung des Schädigers auch dann aus, wenn allein eine psychische Fehlverarbeitung des Geschädigten hinzutritt.
Das LG Münster hat die Berücksichtigung dieser Grundsätze in einem aktuellen Urteil vom 18. Dezember 2013 erneut bejaht (Aktenzeichen 08 O 339/09). In dem entschiedenen Fall ging es um den Zurechnungszusammenhang zwischen einem Unfallereignis und eines danach aufgetretenen neuropathisches Schmerzsyndroms verbunden mit einer psychischen Störung (Anpassungsstörung). Als besonderer Umstand war zu beachten, dass sich die Anpassungsstörung nach dem Unfall zunächst zurück entwickelte. Ein Jahr später wurde die Anpassungsstörung jedoch durch das Miterleben eines Unfalles eines Kollegen reaktiviert, verbunden mit der Symptomatik eines psychovegetativen Syndroms.
Das Gericht führt aus, dass der Auslöser für die Reaktivierung der Anpassungsstörung das vom Geschädigten ein Jahr zuvor erlittene Schadensereignis gewesen ist.
Durch das Miterleben eines weiteren Unfalls eines Kollegen ein Jahr später könne ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfallereignis des Geschädigten und der Reaktivierung der Anpassungsstörung verbunden mit dem Auftreten eines psychovegetativen Syndroms hergestellt werden. Vor dem Unfallereignis war die Lebensgeschichte des Geschädigten in psychischer Hinsicht unauffällig. Auf ein Ereignis vor 25 Jahren, das der Geschädigte als Nervenzusammenbruch und auftretende Herzschmerzen aufgrund von Arbeitsstress beschreibt, mithin ein singuläres Ereignis, komme es nicht an.
Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass sich der Schädiger grundsätzlich nicht darauf berufen kann, der Gesundheitsschaden beim Geschädigten sei nur deshalb eingetreten, weil der Geschädigte in Folge bereits vorhandener Beeinträchtigungen besonders anfällig für erneute Beeinträchtigungen gewesen ist. Obwohl Umstände vor oder nach dem Schadenereignis zum Ausmaß des Schadens beigetragen haben, sei das Schadenereignis selbst mitursächlich, wenn es auch nur der Auslöser für den Gesundheitsschaden beim Geschädigten geblieben ist. Dementsprechend ist im Zuge einer für den Geschädigten eingreifenden Haftungserweiterung die volle Haftung des Schädigers zu bejahen.
Für den Nachweis der Gesundheitsbeeinträchtigungen ist der erleichterte Beweismaßstab des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) heranzuziehen.
Danach sind greifbare Anhaltspunkte erforderlich und ausreichend für eine Beweisführung, wobei sogar eine deutlich überwiegende und auf einer gesicherten Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit genügen kann.
Der Nachweis der Kausalität braucht demnach nicht aus medizinisch naturwissenschaftlicher Sicht anhand reproduzierbarer, valider und objektiver Befunde geführt zu werden. Er ist nach juristischen Maßstäben festzustellen, wobei die Überzeugungsbildung des Gerichts lediglich die Beseitigung vernünftiger Zweifel erfordert.
Das könnte Sie auch interessieren:
Sofort-Beratersuche
AdvoGarant Artikelsuche