Fehlerhafte Ausschreibung
Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen veranlasst eine Ausschreibung für ein Software-Produkt.
Das Unternehmen bekommt aber nicht die Software, die es haben wollte. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass irgendwo im bestellenden Unternehmen ein Fehler in der Ausschreibung gemacht wurde. Der Fehler wurde nicht unmittelbar vom Abteilungsleiter für Informationstechnologie - neudeutsch Chief Information Officer (CIO) - verursacht. Wer haftet nun dafür, dass das Unternehmen eine „falsche“ Software bekommen hat? Haftet möglicherweise der CIO des bestellenden Unternehmens?
I. Ansprüche des bestellenden Unternehmens
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Lieferung einer individuellen Software handelt es sich um einen Werkvertrag gemäß §§ 631 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vom Software-Entwickler, dem Hersteller, wird ein Erfolg geschuldet: die vom Besteller gewünschte, individuelle Software. Der Hersteller muss sein Werk mangelfrei herstellen. In unserem Fall hat der Besteller nun gerade nicht die von ihm gewünschte Software erhalten, so dass in seinen Augen kein mangelfreies Werk vorliegt.
Ein mangelhaftes Werk stellt keine Erfüllung dar, so dass der Besteller dann trotz Lieferung immer noch einen Anspruch auf das mangelfreie Werk hat. Wann ist ein Werk nun mangelhaft? Ein Mangel liegt vor, wenn die Ist- von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Die Ist-Beschaffenheit ist das entwickelte Software-Produkt, die Soll-Beschaffenheit ergibt sich aus der Ausschreibung des Unternehmens. In unserem Fall hat der Software-Entwickler genau das geliefert, was bestellt war.
Dass das Software-Produkt nicht den Wünschen des Unternehmers entspricht, beruht auf einem Fehler in der Ausschreibung des Unternehmens.
Das gelieferte Software-Produkt entspricht den in der Ausschreibung beschriebenen Anforderungen, so dass es mangelfrei ist. Dass das Unternehmen tatsächlich etwas Anderes wollte, als in der Ausschreibung genannt, geht nicht zu Lasten des Software-Entwicklers.
Praxistipp: Ein Unternehmen muss bei einer Ausschreibung äußerst sorgfältig vorgehen. Die in der Ausschreibung genannten Anforderungen an das Software-Produkt geben dem Entwickler vor, was er liefern muss. Fehler in der Ausschreibung sind, wenn der Auftrag vergeben wurde, irreparabel und können zu hohen Kosten führen.
II. Haftung des CIO
Ein CIO kann, abhängig von der Größe des Unternehmens, ein „normaler“ Arbeitnehmer, ein leitender Angestellter oder ein Mitglied des Vorstandes oder der Geschäftsführung sein. Je nach seiner Position ist die Frage nach der grundsätzlichen Haftung des CIO verschieden zu beantworten.
Ist der CIO ein „normaler“ Arbeitnehmer, dann gilt:
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Bei leichter Fahrlässigkeit haftet er nicht. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare Fehler handelt, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können.
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Bei mittlerer Fahrlässigkeit haften Unternehmen und CIO gemeinsam, wobei die Haftungsquoten unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln ist. Dabei sind auch Umstände wie eine Versicherbarkeit, der Verdienst des CIO und so weiter zu berücksichtigen.
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Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der CIO voll.
Ist der CIO ein leitender Angestellter, dann haftet er nicht, wenn
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er eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat;
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diese Entscheidung dem Wohl des Unternehmens dienen sollte;
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keine Interessenkollision vorlag und
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die Entscheidung auf angemessenen Informationen beruhte.
Ist der CIO Mitglied der Geschäftsführung oder des Vorstands,
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dann trägt er nur die Haftung für ein Organisationsverschulden, also das Risiko dafür, dass seine Arbeit und die der ihm nachgeordneten Mitarbeiter durch organisatorische Vorgaben des Arbeitsablaufs sicher gestaltet sind.
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Er muss sich wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter verhalten.
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Es kommt also immer auf den ganz konkreten Einzelfall an.
In unserem Fall ist ein wie auch immer geartetes schuldhaftes Handeln des CIO aus dem Sachverhalt nicht zu erkennen, so dass er nach den vorgenannten Grundsätzen auch nicht dafür haftet, dass ein Fehler in der Ausschreibung enthalten ist.
Praxistipp: Verlassen Sie sich nicht auf Schadensersatzansprüche gegen Ihre Mitarbeiter. Nutzen Sie die Vorteile eines modernen Qualitätsmanagements und definieren und standardisieren Sie die Arbeitsabläufe bei einer Ausschreibung mit integrierten, automatischen Kontrollen zu festen Zeitpunkten im Arbeitsablauf.
Das Ergebnis unseres Falles lautet also: Da der Fehler in der Ausschreibung im Unternehmen erfolgte, hat es keine Ansprüche gegen den Software-Entwickler. Ansprüche an den eigenen CIO scheitern daran, dass den CIO nach dem Sachverhalt kein Verschulden trifft.
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