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Gemeinschaftspraxis II

Persönliche Haftung für Altverbindlichkeiten durch Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis.

Schon seit mehr als einem Jahrzehnt erfreut sich die Gemeinschaftspraxis immer größeren Zuspruchs. Gerade junge Zahnärzte ziehen eine Gemeinschaftspraxis einer Einzelpraxis vor. Deutlich wird dies auch dadurch, dass sich junge Zahnärzte oft in Nachbesetzungsverfahren auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz in einer Gemeinschaftspraxis bewerben.

Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. April 2003 (II ZR 56/02) galt, dass derjenige, der einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts beitritt nicht persönlich für vor seinem Beitritt begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet. Seit dieser Entscheidung ist das anders. Jetzt haftet der beitretende Gesellschafter in analoger Anwendung des § 130 HGB (Handelsgesetzbuch) auch für Verbindlichkeiten, die vor seinem Eintritt begründet wurden. Der BGH führt dazu in seinen Leitsätzen aus:

„Der in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretende Gesellschafter hat für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich auch persönlich und als Gesamtschuldner mit den Altgesellschaftern einzustehen. Dieser Grundsatz gilt auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, in denen sich Angehörige freier Berufe zu gemeinsamer Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Ob für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen dieser Gesellschaften eine Ausnahme zu machen ist, bleibt offen.“

Haftungsvoraussetzungen

Die Haftung tritt in jedem Fall ein, in dem ein neuer Gesellschafter hinzu kommt. Dies ist bei der zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis vor allem der Eintritt durch Rechtsgeschäft, weil der Gesellschaftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters zum Beispiel von einem eintretenden Gesellschafter übernommen wird. Ein anderes Beispiel ist der Beitritt in eine Gemeinschaftspraxis als weiterer, neuer Gesellschafter. Die Haftung des neuen Gesellschafters tritt ab dem Zeitpunkt ein, in dem er nach außen tätig wird, sei es durch Aufnahme der zahnärztlichen Behandlung oder Nennung seines Namens auf dem Briefbogen oder dem Praxisschild.

Darauf ob der zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag wirksam ist, kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht an. Auch wenn kein wirksamer Gesellschaftsvertrag vorliegt, haftet der beitretende Arzt. Dies gilt selbst dann, wenn zum Beispiel in einem Nachbesetzungsverfahren der Gesellschaftsvertrag aufgrund des Widerspruchs eines anderen Bewerbers endgültig nicht durchgeführt wird, aber der „neue Gesellschafter“ in der Zwischenzeit bereits auf dem Briefkopf der Gemeinschaftspraxis erschienen ist.

Haftungsumfang

Die Haftungsrisiken bestehen in erster Linie wegen der vor Eintritt des neuen Gesellschafters abgeschlossenen Praxismietverträge, Arbeitsverträge, Leasingverträge und Bankkredite. Hier können erhebliche Schulden der Gemeinschaftspraxis vorhanden sein, für die der neue Gesellschafter dann neben den Altgesellschaftern vollumfänglich, persönlich haftet. Es kommt nicht darauf an, ob der eintretende Gesellschafter von diesen Schulden Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben können. Selbst wenn der Neugesellschafter von den Altgesellschaftern über die Schulden bewußt getäuscht wurde, ändert dies nichts an seiner persönlichen Haftung gegenüber den Gläubigern der Gemeinschaftspraxis.

Der BGH hat in dem genannten Urteil angesprochen, ob der eintretende Gesellschafter auch für Behandlungsfehler der anderen Gesellschafter einzutreten hat, die vor seinem Eintritt begangen wurden. Diese Frage haben die Bundesrichter offen gelassen. Die praktische Bedeutung der Beantwortung dieser Frage dürfte nicht sehr groß sein, weil hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs regelmäßig die Haftpflichtversicherung des behandelnden (Zahn-) Arztes eintreten wird. Bei Zahnärzten geht es dann nur noch um den Schadensersatzanspruch des Patienten, während bei Ärzten die Haftpflichtversicherung sämtliche Schäden übernimmt.

Von wirtschaftlich sehr viel größerer Bedeutung können die Honorarrückforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sein.

So schuldete in einem vom Bundessozialgericht (Urteil vom 7. Februar 2007 - B 6 KA 6/06 R) entschiedenen Fall ein in einer Einzelpraxis tätiger Arzt der KV Honorarerstattung. Dieser Arzt gründete mit einem anderen, in Einzelpraxis tätigen Arzt in dessen Praxisräumen, ohne Vermögen einzubringen, eine Gemeinschaftspraxis. Die KV kündigte die Verrechnung von Honoraransprüchen der Gemeinschaftspraxis mit den Altschulden des einen Arztes an. Dagegen klagte die Gesellschaft und hatte erst vor dem Bundessozialgericht (BSG) Erfolg. Dieser vom BSG entschiedene Fall ist jedoch ein Sonderfall, da die Gemeinschaftspraxis aus zwei Einzelpraxen neu gegründet wurde. Die Neugesellschafter sind also nicht in eine bereits bestehende Gemeinschaftspraxis eingetreten.

Tritt ein Arzt als Gesellschafter in eine Einzelpraxis ein und wird somit eine Gemeinschaftspraxis gegründet, stellt sich die Frage, ob der eintretende Gesellschafter in entsprechender Anwendung des § 28 Absatz1 HGB für die Altverbindlichkeiten der Einzelpraxis haftet. Dies wurde vom 9. Zivilsenat des BGH verneint. Allerdings spricht einiges dafür, dass der für das Gesellschaftsrecht zuständige 2. Zivilsenat dies anders sehen könnte, so dass eventuell der große Zivilsenat angerufen werden müsste.

Nach dem Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis haftet der Altgesellschafter für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft mindestens noch fünf weitere Jahre.

Fazit: Es zeigt sich, dass enorme Risiken mit dem (eventuell sogar gescheiterten) Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis verbunden sind.


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