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Zwangsbehandlung

Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsbehandlung.

Als der Gesetzgeber im Jahr 1992 das menschenverachtende Entmündigungsrecht abschaffte und es durch die rechtliche Betreuung ersetzte, sah er keinen Grund, für eine ärztliche Zwangsbehandlung eine besondere Rechtsgrundlage zu schaffen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bis zum Jahr 2006 und die Wissenschaft waren sich einig, dass eine Zwangsbehandlung auch im Rahmen einer stationären Unterbringung rechtlich zulässig war. Natürlich musste dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strengstens beachtet werden, soweit der Betreute einwilligungsunfähig war. Ein Betreuer konnte – so der BGH - auch gegen den natürlichen Willen des Betreuten in derartige, ärztliche Maßnahmen einwilligen.

Keine Zwangsbehandlung ohne Einwilligung des Betreuers.

Im Jahr 2011 forderte das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung, die § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB bisher) in der alten Fassung nicht gewährt. Der BGH schloss sich dieser Meinung an. Diesem Auftrag folgte der Gesetzgeber und besserte § 1906 BGB nach.

Die Voraussetzungen im Einzelnen:

Der Betreute ist einwilligungsunfähig.

Er kann aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Maßnahme nicht erkennen. Seine Einwilligungsunfähigkeit muss sich darauf beziehen, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit überhaupt selbstbestimmt wahrnehmen zu können. Dies ist zeitweise der Fall, etwa bei schweren Depressionen und Manien, Essstörungen oder Schizophrenie. Dem Betreuten fehlt die Einsichtsfähigkeit, das heißt die so genannte Steuerungs- und Handlungsfähigkeit. Der Betreute kann in akuten Phasen Informationen nicht mehr rational sondern nur noch paranoid verarbeiten.

Gleiches gilt bei extremen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, die eine Krankheits- und Behandlungseinsicht unmöglich machen und wenn demenzbedingt kein eigener Wille mehr erkundet werden kann.

Der Versuch, den Betreuten zur Einwilligung zu bewegen, ist gescheitert.

Es muss intensiv versucht werden, den Betreuten von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen. Dies muss mit ausreichendem Zeitaufwand und ohne Druck, bei stationärer Unterbringung durch die dort tätigen Ärzte, in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen versucht werden.

Abwendung eines erheblichen, gesundheitlichen Schadens

Die Maßnahme muss zwingend erforderlich sein, um drohenden, erheblichen Schaden abzuwenden. Bei dieser Prognoseentscheidung ist zu beachten, inwieweit die Erkrankung die Willensbildungs- und Steuerungsfähigkeit des Betreuten beeinflusst. Je irreversibler die zu erwartenden Schäden sind, desto eher ist die Maßnahme gerechtfertigt. Es muss ein derartiger Schweregrad erreicht oder zu befürchten sein, dass ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht bezüglich der körperlichen Integrität gerechtfertigt erscheint.

Eine weniger einschneidende Maßnahme scheidet aus.

Es gibt für den Betreuten keine andere, zumutbare Maßnahme, um den gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Hier ist allein die Sicht des Betreuten maßgeblich.

Abwägung von Nutzen und Risiken

Der Arzt soll nur unter ganz engen Voraussetzungen berechtigt sein, Zwangsbehandlungen durchzuführen. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen („geschützte Freiheit zur Krankheit“) soll unbedingt gewahrt werden. Die ärztliche Zwangsmaßnahme muss immer die ultima ratio sein. Der zu erwartende Nutzen muss die zu befürchtenden Beeinträchtigungen deutlich übersteigen. Je schwerwiegender der Eingriff ist, je entwürdigender oder traumatisierender, je mehr körperliche Gewalt zur Durchsetzung erforderlich ist, desto deutlicher muss der Nutzen für den Betreuten sein und die eintretenden Nachteile weit übersteigen.

Durch die Änderung der Rechtsprechung war eine gesetzliche Lücke entstanden, die nunmehr geschlossen ist.

Es gibt jetzt eine gesetzliche Grundlage für die Veranlassung ärztlicher Zwangsmaßnahmen unter geschlossenen, stationären Bedingungen durch den Betreuer. Dennoch ist der Gesetzgeber weiterhin aufgerufen, noch bessere Bedingungen zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen zu schaffen. Er muss sich auch mit der Frage der ambulanten Zwangsbehandlung befassen, die ungeregelt bleibt, obwohl sie der BGH bereits im Jahr 2000 mangels Rechtsgrundlage als unzulässig bezeichnet hat.

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Hubertus Höck

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