Reittherapie
Gabriele Renken-Röhrs
Haftung eines Vereins für Reittherapie von Behinderten für einen Unfall bei der Reitausbildung.
Vereine, die sich der Reittherapie von behinderten Mitmenschen verschrieben haben, droht ein noch nicht absehbares Haftungsrisiko. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass einem Idealverein, der sich der Reittherapie von Behinderten widmet, die Entlastungsmöglichkeit über das „Nutztierprivileg“ im Sinne des § 833 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei einem Reitunfall mit einem Vereinspferd versagt ist. Dem Urteil vom 21. Dezember 2010 - Aktenzeichen: VI ZR 312/09 - liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen eines Reitunfalls, bei dem sie sich durch einem Sturz vom Pferd eine Lendenwirbelfraktur zuzog. Der Halter des Pferdes ist ein eingetragener Verein für Reittherapie von Behinderten. Der Reitlehrer des Vereins erteilte der Klägerin, die an einer Behinderung leidet, und deren Tochter in einer Halle eine Reitstunde. Die Tochter ritt der Klägerin voraus. Die genaue Entwicklung des Reitunfalls ist unklar. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, wurde der Sturz jedenfalls dadurch verursacht, dass das Pferd der Klägerin aus dem Galopp heraus durch ein Verhalten des vorauslaufenden Pferdes abrupt stehen blieb.
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin Schadensersatz zugesprochen aber die Revision für den beklagten Verein für Reittherapie zugelassen.
Die Frage der Entlastungsmöglichkeit des § 833 Satz 2 BGB hat für einen Idealverein, der seine Pferde zur Verfolgung seiner als gemeinnützig anerkannten, satzungsmäßigen Zwecke ohne Gewinnerzielungsabsicht hält, grundsätzliche Bedeutung. Die Revision vor dem BGH hatte jedoch keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BGH ist die Tierhalterhaftung als Gefährdungshaftung ausgestaltet. Das Gesetz räume nach § 833 Satz 2 BGB dem Tierhalter die Möglichkeit ein, sich von der Gefährdungshaftung zu entlasten. Eine sorgfältige Beaufsichtigung des Tieres vorausgesetz, besteht diese Möglichkeit, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. Dies ist bei einem Idealverein, der sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgabe der Reittherapie von Behinderten widmet, grundsätzlich nicht der Fall.
Der Klägerin war auch kein Mitverschulden anzulasten, weil sie trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung überhaupt Reitstunden genommen hat. Denn sie konnte damit rechnen, dass die Reitausbildung ihrer Behinderung Rechnung trug.
Die Verwehrung des Nutztierprivilegs stellt eine immense Gefährdung der Vereine dar.
Gerade in Reitvereinen, die sich auf die Reittherapie verlegt haben, trägt das Pferd hauptsächlich zu seinem eigenen Unterhalt bei. Da keinerlei Gewinnerzielungsabsicht besteht, kommen die Einnahmen in voller Höhe den Pferden sowie der Erhaltung des Vereins zu Gute. Durch die Entscheidung des BGH kommt auf diese Vereine ein unkalkulierbares Risiko von Haftungsfällen zu.
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