Tierarzt
Gabriele Renken-Röhrs
Nur sekundäre Haftung des Tierarztes, wenn er bei der Ankaufuntersuchung eine Erkrankung des Pferdes übersehen hat.
Das Landgericht Flensburg hat in einer Entscheidung vom 11. März 2011 einen Tierarzt, der bei einer Ankaufuntersuchung eine Erkrankung des Pferdes übersehen hat, aus der Haftung entlassen (Aktenzeichen 4 O 41/10). Die Klägerin verlangte von dem beklagten Tierarzt Schadensersatz wegen einer fehlerhaft durchgeführten, tierärztlichen Ankaufuntersuchung. Dabei äußerte sich das Gericht in der Entscheidung nicht darüber, ob die Untersuchung wirklich mangelhaft war.
Die Klägerin beabsichtigte im November 2008 eine Stute zu kaufen. Sie beauftragte den Tierarzt mit einer klinischen und röntgenologischen Untersuchung des Pferdes. Über das Ergebnis der Untersuchung erstellte der Tierarzt ein schriftliches Protokoll. Darin erklärte er, dass die Untersuchung keine Hinweise für das Vorliegen erheblicher, gesundheitlicher Beeinträchtigungen erbracht habe. Daraufhin kaufte die Klägerin das Tier.
Im Sommer 2009 lahmte das Pferd und wurde von einem anderen Tierarzt behandelt. Dieser gab an, auf den vom Beklagten im November 2008 aufgenommen Röntgenbildern sei im hinteren linken Sprunggelenk ein OCD-Chip erkennbar, außerdem degenerative Veränderungen im Hufrollenbereich. Der beklagte Tierarzt führte daraufhin eine Kontrolluntersuchung durch, bei der kein OCD-Chipbefund festgestellt werden konnte.
Das Gericht wies die Schadensersatzklage gegen den Tierarzt zurück.
Dabei führte es aus, dass der Klägerin noch nicht allein dadurch ein Schaden entstanden ist, dass sie im Vertrauen auf die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses des Beklagten die Stute gekauft hat. Das Gericht betrachtete das Gesamtvermögen der Klägerin im Zeitpunkt des Kaufes. Wird ein Kaufvertrag über ein mangelbehaftetes Pferd geschlossen, so kann ein Schaden nicht damit begründet werden, dass das Pferd in seinem mangelhaften Zustand weniger wert sei als der Kaufpreis.
Vielmehr muss in den Vermögensvergleich zusätzlich einbezogen werden, dass der Käufer gleichzeitig Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer wegen des Mangels erwirbt. Ist der Mangel behebbar, kann er vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen. Er kann das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung beispielsweise dadurch herstellen, dass er den Kaufpreis mindert, oder dadurch, dass er die Wertdifferenz als Schadensersatz geltend macht. Ebenso kann er durch einen Rücktritt vom Vertrag dessen Rückabwicklung und damit die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durchsetzen.
Unter Verweis des Gerichts auf eine Entscheidung des Landgerichts Kiel (Aktenzeichen 2 O 16/10), folgt daraus, dass einen Tierarzt gegenüber seinem Auftraggeber nur eine sekundäre Haftung trifft, wenn er bei einer Ankaufuntersuchung eine Erkrankung des Pferdes. Der Käufer muss zunächst den Verkäufer auf Gewährleistung in Anspruch nehmen.
Nur wenn er seine Ansprüche gegenüber dem Verkäufer nicht durchsetzen kann, haftet ihm in zweiter Stufe der Tierarzt.
Die Klägerin hätte sich daher in erster Linie gegen die Verkäuferin wenden müssen. Nur wenn diese endgültig nicht in Haftung genommen werden kann, hätte die Klägerin erfolgreich gegen den Tierarzt auf Schadenersatz klagen können. Dies war in dem vorliegenden Fall leider nicht mehr möglich, da die Ansprüche gegen die Verkäuferin gerade verjährt waren.
Abschließend läßt sich somit sagen, daß es von entscheidender Wichtigkeit ist, sich bei einem Mangel des gekauften Pferdes zuerst gegen den Verkäufer zu wenden. Es kann jedoch günstig sein, gleichsam durch eine Streitverkündung auch gegen den Tierarzt vorzugehen. Eine alleinige Klage gleich zu Beginn gegen den Tierarzt ist nach diesem Urteil nicht erfolgreich und kann im schlimmsten Fall, wie es hier geschehen ist, zum völligen Ausfall der Schadenersatzpflicht sowohl der Verkäuferin als auch des Tierarztes führen.
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