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Invalidität

Zur Bemessung der Invalidität in der privaten Unfallversicherung.

Ist in der privaten Unfallversicherung die Invalidität nach Gliedertaxe zu bemessen, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abzustellen. Kommt es nach den verwendeten Versicherungsbedingungen auf die Funktionsfähigkeit „im Gelenk“ (zum Beispiel Arm im Schultergelenk) an, ist nach dieser Rechtsprechung bei der Bemessung der Invalidität allein auf die Funktionsbeeinträchtigung des Gelenkes abzustellen. Ist das Gelenk vollständig Funktionsunfähig kann es deshalb auch bei Verbleib einer Restfunktionsfähigkeit der körperfernen Teile eines Körpergliedes (zum Beispiel Oberarm, Finger) zu Invaliditätsleistungen nach vollem Gliedertaxenwert kommen.

Je nach den verwendeten Versicherungsbedingungen muss es aber nicht auf die Funktionsfähigkeit „im Gelenk“ ankommen. Dann soll es bei der Bemessung einer Funktionsbeeinträchtigung von Körpergliedern auch auf den Sitz der Wirkung, das heißt der Funktionsausfälle, ankommen. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass die Gliedertaxe auch dann anzuwenden ist, wenn die Schädigung durch eine Einwirkung auf andere Körperteile ausgelöst wurde. So ist der Invaliditätsgrad auch nach der Gliedertaxe zu bestimmen, wenn beispielsweise eine Einwirkung auf die Wirbelsäule oder den Kopf eine Funktionsbeeinträchtigung von Körpergliedern zur Folge hat (Wussow/Pürckhauer, AUB-Kommentar, 6. Aufl., § 7 AUB, RdNr. 32).

Durch die Rechtsprechung des BGH zieht das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung vom 1. Oktober 2010 den Schluss, es komme bei der Bemessung der Invalidität nach der Gliedertaxe unabhängig von den verwendeten Klauseln generell auf den Sitz der Unfallverletzung an. Zur Begründung wird ausgeführt, folgerichtig sei als unfallbedingte Schädigung die „unfallbedingte Verletzung“ anzusehen.

Diese Sichtweise kann im Einzelfall dazu führen, dass nicht der gesamte Umfang der Funktionsbeeinträchtigung in die Bemessung der Invalidität einfließt.

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen an dem betroffenen Körperglied nicht im Sitz der Unfallverletzung zeigen, sondern in anderen Bereichen. Aus diesem Grunde ist es sachgerecht, an der bereits in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Meinung festzuhalten, wonach für die Bemessung der Funktionsbeeinträchtigung eines (Teil-)Gliedes auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abzustellen ist.

Aus der Rechtsprechung des BGH kann auch nichts anderes entnommen werden. Die vom BGH benutzte Wendung „Sitz der unfallbedingten Schädigung“ ist so zu verstehen, dass darauf abzustellen ist, in welchem Bereich des Körpers der Unfall eine Schädigung herbeigeführt hat. Es muss sich denklogisch nicht allein um unmittelbar durch das Unfallereignis verletzte Stellen handeln. Vielmehr kann je nach Verletzungsbild sowohl der Sitz der Verletzung, als auch der Sitz der Wirkung als unfallbedingte Schädigung anzusehen sein.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der BGH zu den Klauseln in der Gliedertaxe bei welchen es auf die Funktionsfähigkeit „im Gelenk“ ankommt, wegen Vorliegens einer unklaren Regelung die günstigste Auslegung für den Versicherungsnehmer annimmt. Deswegen stellen die Bundesrichter auf die Funktionsunfähigkeit des Gelenkes selbst ab. Die Entscheidungen des BGH können deshalb nicht auf Regelungen in der Gliedertaxe angewandt werden, welche die Bemessung einer Invalidität nicht an einer ganz bestimmten Stelle des Körpergliedes, wie zum Beispiel „im Gelenk“, festmachen.

Bei der Invaliditätsbemessung außerhalb der Gliedertaxe kommt es darauf an, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist.

Treten Funktionsausfälle an Körpergliedern oder Sinnesorganen auf, so sind die Invaliditätsgrade zunächst nach der Gliedertaxe zu bewerten. Eine darüber hinausgehende, außerhalb der Gliedertaxe zu bemessende Invalidität ist zu den Werten der Invalidität nach Gliedertaxe hinzu zu addieren. Dieses Additionsprinzip gilt auch für Funktionsbeeinträchtigungen an verschiedenen Körpergliedern (etwa der rechte Arm und die linke Hand).

Keine Addition findet jedoch statt, wenn Teilglieder eines Körpergliedes (zum Beispiel die rechte Hand und der rechte Arm) betroffen sind. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer Entscheidung vom 3. Februar 2011 festgestellt (Aktenzeichen 3 U 160/10). Diese Sichtweise hat der BGH in seinem Urteil vom 14. Dezember 2011 bestätigt (Aktenzeichen IV ZR 34/11). Die maßgebliche Auslegung von Versicherungsbedingungen erfolgt nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse. Zur Begründung wird auf die vom Versicherungsnehmer zu erkennende Funktionslogik der Gliedertaxe hingewiesen. Die vorgesehene Addition von Invaliditätsgraden werde der Versicherungsnehmer schon dem Wortlaut der Bedingungen folgend auf die Funktionen verschiedener Körperglieder beziehen.

Ist etwa neben dem rechten Arm auch die linke Hand funktionsbeeinträchtigt, sind die Werte eines Arms (70 Prozent) und einer Hand (55 Prozent) bis zur Obergrenze (100 Prozent) zu addieren.

Nur insofern mache die vereinbarte Obergrenze von 100 Prozent Sinn, denn bezöge sich die Addition auf Teile desselben Körpergliedes, müsste als Obergrenze der vereinbarte Invaliditätsgrad des vollständigen Körpergliedes angenommen werden (für den Arm also 70 Prozent). Dem Versicherungsnehmer werde deutlich, dass der Wert der Körperglieder sich nicht aus einer Addition des Werts aller seiner Teile ergibt (für einen Arm liegt die Summe allein bis zum Ellenbogen schon bei 225 Prozent). Statt dessen wird der Verlust kleinerer Körperglieder nicht quotal auf das gesamte, nicht zum Rumpf gehörende Körperglied bezogen.

Fazit: Bei der Bemessung der Invalidität in der privaten Unfallversicherung nach Gliedertaxe ist auf Grund der Rechtsprechung des BGH für Klauseln, bei welchen es auf die Funktionsunfähigkeit „im Gelenk“ ankommt, auf die unfallbedingte Schädigung des Gelenkes selbst abzustellen. In allen anderen Fällen der Bemessung der Invalidität nach Gliedertaxe kann als unfallbedingte Schädigung - je nach Verletzungsbild - sowohl der Sitz der Verletzung, als auch der Sitz der Wirkung, das heißt der Funktionsausfälle, anzusehen sein.

Bei der Invaliditätsbemessung außerhalb der Gliedertaxe kommt es darauf an, inwieweit die normale Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Eine außerhalb der Gliedertaxe zu bemessende Invalidität wird zu den Werten einer Invalidität nach Gliedertaxe hinzu addiert. Dieses Additionsprinzip gilt auch für Funktionsbeeinträchtigungen an verschiedenen Körpergliedern, jedoch nicht bei Funktionsbeeinträchtigungen von Teilen eines Körpergliedes.

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Robert-Joachim Wussow

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