Privatgutachten
Im Bereich der Produzentenhaftung sind zum Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität die Kosten eines Privatgutachtens grundsätzlich erstattungsfähig.
So urteilte das Amtsgericht (AG) München bereits am 19.04.1999, Aktenzeichen 154 C 35416 / 98. Dem damit entschiedenen Rechtsstreit lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Ein Autofahrer fuhr am 27.07.98 in Istanbul mit seinem Fahrzeug, bei einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h, über einen Schachtdeckel. Dabei öffnete sich der Airbag, ohne daß eine Kollision vorausgegangen war. Der beklagte Hersteller weigerte sich im Folgenden, die Kosten für ein Privatgutachten sowie die Unkostenpauschale zu ersetzen. Das Privatgutachten enthielt nur Ausführungen zum Haftungsgrund.
Die Münchner Richter gaben der Klage des Autofahrers, auch diese Kosten zu übernehmen, statt.
In ihrer Urteilsbegründung führten Sie unter anderem aus: “...Die zulässige Klage ist begründet. Der Anspruch beruht auf § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Anspruchsgrundlage ist unbestritten. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten waren auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 254 BGB zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Hierbei ist zunächst festzustellen, daß der Kläger für den Geschehensablauf und den Fehler beim Airbag beweispflichtig ist. Zwar liegt bei dem vorliegenden Sachverhalt ein technischer Defekt als Ursache für die Auslösung des Airbags nahe, jedoch wird im Gutachten auch festgestellt, daß am Fahrzeug keine Beschädigungen vorhanden sind, die auf einen Unfall deuten könnten, welcher einen Airbag auslöst. Seitens des Klägers konnte nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Beklagte womöglich darauf beruft. Dabei ist die Erstattungsfähigkeit grundsätzlich selbst dann zu bejahen, wenn der Schädiger von sich aus einen eigenen Sachverständigen beauftragt oder den Schaden durch Haussachverständige begutachten läßt ( vgl. Tempel, materielles Recht im Zivilprozeß, 2. Aufl. S. 599, Fn. 110 ). Unbeachtlich ist hierbei, ob die Beklagte durch ein Verhalten Anlaß zur Begutachtung gegeben hat. Der Anspruch wäre nur dann ausgeschlossen, wenn umgekehrt durch das Verhalten der Beklagten die grundsätzliche Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens entfallen wäre. Das seit Einholung des Gutachtens ca. 1 Monat vergangen ist, steht der Erforderlichkeit und der Tauglichkeit des Privatgutachtens nicht entgegen. Die Höhe der Unkostenpauschale schätzt das Gericht auf DM 50,-- ( § 823 BGB, § 287 ZPO )...”
Das Urteil zeigt, daß Privatgutachten nicht nur zur Feststellung der Schadenshöhe, sondern auch zur Feststellung des Haftungsgrundes erforderlich sind.
Dies ändert sich nur, wenn der Schädiger zu erkennen gibt, daß er vom Geschädigten den Beweis der haftungsbegründenden Kausalität nicht verlangen und dementsprechend auch ohne diesen Beweis den Schaden regulieren wird. Der Schädiger muß dies von sich aus bekunden und nicht vom Geschädigten aufgefordert werden.
Die Erforderlichkeit solcher Privatgutachten ergibt sich auch noch aus dem Gedanken der Waffengleichheit. Bei der Produzentenhaftung steht der Geschädigte regelmäßig großen Unternehmen gegenüber, die ihm auf Grund ihrer Personalstruktur in der entsprechenden Sachkunde weit voraus sind. Hier bedarf der unkundige Geschädigte regelmäßig des fachkundigen Beistands, um seine berechtigten Interessen durchsetzen zu können.
Auch gegenüber der eigenen Kaskoversicherung, wie gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung und dem Gegner selbst, bildet ein Privatgutachten regelmäßig die Grundlage für die Durchsetzung des eigenen Schadensersatzanspruches.
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