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Bundesfinanzhof klärt wichtige Zweifelsfragen zum Kindergeld

Der Bundesfinanzhof hat wichtige Zweifelsfragen zum Kindergeld geklärt. Eltern sollten die jüngste Rechtsprechung des höchsten deutschen Steuergerichts kennen.

Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung

Absolvieren Kinder zwischen 18 und 25 Jahren, die bereits einen ersten Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlangt haben, anschließend eine weitere Ausbildung, sind zwei Fälle zu unterscheiden: Ist der weitere Ausbildungsgang noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung, haben die Eltern ohne Wenn und Aber weiter Anspruch auf Kindergeld. Handelt es sich hingegen um eine Zweitausbildung, gilt dies nur, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die seine Zeit und Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Unschädlich ist eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von maximal 20 Stunden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine einheitliche Erstausbildung nicht mehr anzunehmen, wenn das Kind nach der Erlangung des ersten Abschlusses neben dem weiteren Ausbildungsgang eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine Nebensache darstellen, die auf eine Weiterbildung und/oder den Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtet ist.

Anders ausgedrückt: Die Eltern haben nur dann während des weiteren Ausbildungsabschnitts Anspruch auf Kindergeld, wenn die Ausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes bildet und die nebenher ausgeübte Erwerbstätigkeit als Nebensache anzusehen ist.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Verhältnisse kommt es insbesondere darauf an, auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat, in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen, ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind.

Tipp: Der für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung notwendige sachliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfällt nicht notwendigerweise dadurch, dass der nachfolgende Ausbildungsabschnitt für die Zulassung zur Abschlussprüfung oder für deren Bestehen eine Berufstätigkeit voraussetzt.

Wichtig ist die Klarstellung des Bundesfinanzhofs, dass die Familienkassen keine Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung fordern dürfen. Die Anerkennung einer einheitlichen Erstausbildung scheitert also nicht bereits deshalb, weil der Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts der Familienkasse nicht rechtzeitig angezeigt wurde. Es reicht, wenn der vollständige Sachverhalt der Familienkasse bis zu der Entscheidung über den Kindergeldanspruch mitgeteilt wird.

Tipp: Eine einheitliche Erstausbildung setzt auch nicht voraus, dass sämtliche Ausbildungsmaßnahmen öffentlich-rechtlich geordnet sind.

Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung

Zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte können nach einer weiteren Entscheidung auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt. Eine Pause von acht Monaten muss dabei nicht schädlich sein.

Im Streitfall hatte ein Kind nach einer Bankausbildung ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert statt – wie zunächst geplant – ein Bankkolleg.

Berufsausbildung bei Nichtantritt zur letztmaligen Prüfung

Normalerweise endet eine Berufsausbildung erst mit der Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung, nicht aber schon mit der abschließenden Prüfung. Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört jedoch auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen.

Wenn ein Student nicht an einer Prüfung teilnimmt und dies nach der Studienordnung zwingend die Exmatrikulation nach sich zieht, endet das Studium nicht erst mit der offiziellen Exmatrikulation am Ende des Semesters, sondern bereits in dem Monat, in dem die Prüfung stattgefunden hat.

Kindergeldanspruch im Rahmen eines Freiwilligendienstes „Erasmus+“

Ein volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird steuerlich berücksichtigt, wenn es einen Freiwilligendienst leistet. Es muss sich hierbei um einen der konkret im Einkommensteuergesetz beschriebenen Dienste handeln.

Nimmt ein Kind an einem Freiwilligendienst im Rahmen des Europäischen Programms Erasmus+ teil, ist – so der Bundesfinanzhof – Voraussetzung, dass der Dienst im Rahmen eines von einer Nationalen Agentur genehmigten Projekts durchgeführt wird.

Nicht ausreichend ist, dass eine Organisation für ein Programm Erasmus+ lediglich registriert und akkreditiert ist.

Kein Kindergeld wegen Ausbildungsplatzsuche bei nicht absehbarem Ende der Erkrankung

Ein volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird steuerlich berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann. Gleiches gilt, wenn ein Kind seine Berufsausbildung wegen einer Erkrankung nicht beginnen kann. Wie der Bundesfinanzhof jüngst klargestellt hat, gilt dies aber nur, wenn das Ende der Erkrankung absehbar ist. Ist dies nicht der Fall, reicht der Wille des Kindes, sich nach dem Ende der Erkrankung um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, nicht aus.

Tipp: In solchen Fällen ist aber zu prüfen, ob eine Berücksichtigung als behindertes Kind möglich ist.

Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden BEA-Freibetrages für volljährige Kinder

Sowohl der Kinderfreibetrag als auch der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (kurz: BEA-Freibetrag) kann auf einen Elternteil übertragen werden. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht zu mindestens 75 Prozent nachgekommen oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.

Die Übertragung kam bislang unabhängig vom Alter für alle kindergeldberechtigte Kinder infrage. Der Bundesfinanzhof hat jedoch eine Übertragung des BEA-Freibetrags bei volljährigen kindergeldberechtigten Kindern abgelehnt. Eine über den eindeutigen Wortlaut hinausgehende Auslegung dahingehend, dass der BEA-Freibetrag auch bei volljährigen Kindern übertragen werden könne, sei nicht möglich. Hätte der Gesetzgeber die Regelung der Übertragung des BEA-Freibetrages mit der zur Übertragung des Kinderfreibetrages bei volljährigen Kindern koppeln wollen, hätte es hierfür einer klaren gesetzlichen Regelung bedurft.

Auch wenn es rechtspolitisch wünschenswert erscheinen könne, die Übertragung des BEA-Freibetrages bei volljährigen Kindern nach denselben Grundsätzen wie die Übertragung des Kinderfreibetrages zu regeln, dürfe der Anwendungsbereich einer Vorschrift von der Verwaltung und den Gerichten nicht über die bewusst vom Gesetzgeber gesetzten Grenzen ausgedehnt werden.

Es ist wohl davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei nächster Gelegenheit die bisherige Verwaltungspraxis gesetzlich regeln wird. Bis dahin können sich Eltern auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs berufen.

Keine Berücksichtigung des Kindergelds für behinderte Kinder als kindeseigene Mittel

Volljährige Kinder sind unabhängig vom Alter steuerlich zu berücksichtigen, wenn sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Steuerzahlerfreundliches Urteil: Für die Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind unfähig ist, sich selbst zu unterhalten, sind die dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel auch dann nicht um das (fiktive) Kindergeld zu kürzen, wenn das Kindergeld im Falle seiner Festsetzung an das Kind weitergeleitet werden würde und ohne die Weiterleitung die Voraussetzungen einer Abzweigung des Kindergelds an das Kind vorlägen.

Kindergeld für behinderte Kinder bei Feststellung eines Gendefekts nach dem 25. Lebensjahr

Für volljährige behinderte Kinder kann ein Kindergeldanspruch auch über die Altersgrenze von 25 Jahren hinaus bestehen, wenn die Behinderung vor Erreichen der Altersgrenze eingetreten ist.

Wie der Bundesfinanzhof entschieden hat, stellt ein Gendefekt aber nur dann eine solche Behinderung dar, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.

Nicht ausreichend ist es nach der Entscheidung, wenn vor Erreichen der Altersgrenze eine Behinderung zwar droht, aber noch nicht eingetreten ist.

Kein Zeugnisverweigerungsrecht volljähriger Kinder im Kindergeldprozess

Die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen erstreckt sich auch auf das finanzgerichtliche Verfahren. Das Kind hat im finanzgerichtlichen Verfahren kein Zeugnisverweigerungsrecht.

Grundsätzlich sind Angehörige, und damit also auch volljährige Kinder, nach der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung berechtigt, die Aussage in Steuersachen zu verweigern. Nach einer Sonderregelung im Einkommensteuergesetz haben volljährige Kinder in Kindergeldsachen jedoch umfassende Mitwirkungspflichten.

Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für das Kindergeld wichtigen Aspekte. Das gilt auch für die Frage, ob ein Kind bei der Mutter, beim Vater oder in einem eigenen Haushalt lebt hat. Davon hängt es ab, ob ein Kind dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist. Häufig geht es auch darum, ob sich ein Kind tatsächlich in Ausbildung befindet und ob diese noch als erste oder schon als zweite Ausbildung anzusehen ist. Insbesondere, wenn das Kind erwerbstätig ist.

Über den Autor

Brabanter Straße 53
50672 Köln


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