Finanzverwaltung regelt umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften
Mit dem Jahressteuergesetz 2019 (JStG 2019) war ein neuer Paragraf 3 Absatz 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eingeführt worden. Dieser beseitigte die Unsicherheit bezüglich der Zuordnung der Warenbewegung bei sog. Reihengeschäften. Es kommt danach seit dem 1. Januar 2020 nur noch darauf an, wer die Beförderung oder Versendung der Waren veranlasst. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Neuregelung jetzt in einer Verwaltungsanweisung kommentiert und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) angepasst.
In Paragraf 3 Absatz 6a UStG ist geregelt: Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.
Weiter heißt es im Gesetz: Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-IdNr., die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet (also in das Nicht-EU-Ausland), ist von einem ausreichenden Nachweis auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-IdNr. oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.
Diese gesetzliche Neuregelung haben wir dem sog. JStG 2019 vom 12. Dezember 2019 zu verdanken (offiziell heißt es „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“). Nach § 3 Absatz 6 UStG wurden ein neuer Absatz 6a angefügt und in Absatz 6 die Sätze 5 und 6 gestrichen. Diese Gesetzesänderung dient zum einen der Umsetzung von Artikel 36a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 zum gemeinsamen Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Dieser war durch die Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates vom 4. Dezember 2018 in die MwStSystRL eingeführt worden. Der Artikel enthält erstmals eine ausdrückliche unionsrechtliche Regelung zur Zuordnung der Warenbewegung (Beförderung oder Versendung) beim Reihengeschäft im innergemeinschaftlichen Handel. Danach wird diese, wenn sie durch einen Zwischenhändler erfolgt, grundsätzlich nur der Lieferung an ihn zugeordnet. Abweichend hiervon wird die Warenbewegung jedoch der Lieferung durch den Zwischenhändler zugeordnet, wenn der Zwischenhändler seinem Lieferer die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat, die ihm vom Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände befördert oder versendet werden, erteilt worden ist.
Bitte beachten; Der Begriff „Zwischenhändler“ bezeichnet zum Zwecke dieser Vorschrift einen Lieferer innerhalb einer Reihe (mit Ausnahme des ersten Lieferers in der Reihe), der die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten befördert oder versendet.
Zum anderen dient die Gesetzesänderung der Beseitigung von Rechtsunsicherheiten bei der Zuordnung der Beförderung oder Versendung bei Reihengeschäften, die infolge der Rechtsprechung des höchsten deutschen Steuergerichts, des Bundesfinanzhofs (BFH), entstanden sind. Hierzu wurde insbesondere gesetzlich klargestellt, dass bei der Zuordnung der bewegten Lieferung in solchen Fällen grundsätzlich maßgeblich ist, durch wen die Beförderung bzw. Versendung der Gegenstände erfolgt ist.
Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Das Bundesfinanzministerium hat die Gesetzesänderung zum Anlass genommen, den UStAE anzupassen. Die neuen Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Tipp: Für den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt Teil II Seite 778 am 17. Mai 2023 wird es nicht beanstandet, wenn die Zuweisung der Transportverantwortlichkeit von den Beteiligten einvernehmlich abweichend von den neuen Regeln bestimmt worden ist.
Auf zwei Aspekte möchetn wir an dieser Stelle eingehen; die Lieferung durch einen Zwischenhändler und Warenbewegungen im Verhältnis zum Drittland.
Lieferung durch einen Zwischenhändler
Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Zwischenhändler befördert oder versendet, ist die Warenbewegung grundsätzlich der Lieferung des vorangegangenen Unternehmers zuzuordnen (widerlegbare Vermutung, § 3 Abs. 6a Satz 4 1. Halbsatz UStG).
Beschränkt sich die Warenbewegung im Reihengeschäft auf das Inland, kann der Zwischenhändler die Warenbewegung seiner eigenen Lieferung zuordnen, wenn er nachweist, dass er den Gegenstand in seiner Eigenschaft als Lieferer befördert bzw. versendet hat.
Tipp: Nachweise in diesem Sinne sind z. B. eine Auftragsbestätigung, das Doppel der Rechnung oder andere handelsübliche Belege und Aufzeichnungen, die nachweisen, dass er als Lieferer aufgetreten ist.
Der Zwischenhändler kann die Eigenschaft als Lieferer unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls nachweisen (z. B. anhand Übernahme von Kosten des Transports aufgrund der mit dem Vorlieferanten und seinem Auftraggeber vereinbarten Lieferkonditionen, Mitteilung über den Weiterverkauf vor Beginn der Beförderung oder Versendung usw.). Allein die Mitteilung an den Vorlieferanten über den Weiterverkauf des Liefergegenstands ist hierfür nicht ausreichend.
Gelangt der Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäftes aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, gilt der Nachweis, dass der Zwischenhändler den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, nur dann als erbracht, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Idendifikationsnummer (USt-IdNr.) verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde,.
Tipp: Der Begriff „Verwendung“ einer USt-IdNr. setzt ein positives Tun des mittleren Unternehmers voraus. Da es sich dabei um die Verwirklichung des Sachverhalts handelt (Auftreten als Lieferer), bleiben spätere Änderungen bei der Verwendung der USt-IdNr. ohne Auswirkung.
Verwendet der mittlere Unternehmer seine ihm vom Abgangsstaat erteilte USt-IdNr., muss dies in der Regel bereits bei Vertragsabschluss, spätestens jedoch bei Ausführung der Lieferung erfolgen. Die verwendete USt-IdNr. soll in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich festgehalten werden. Bei mündlicher Erteilung eines Auftrags muss die rechtzeitige Verwendung der USt-IdNr. vom mittleren Unternehmer dokumentiert werden.
Tipp: Es reicht ebenfalls aus, wenn der mittlere Unternehmer dokumentiert, dass er gegenüber seinem leistenden Unternehmer erklärt hat, die ihm vom Abgangsstaat erteilte USt-IdNr. für alle künftigen Lieferungen verwenden zu wollen. Eine in einem Dokument lediglich formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. reicht hingegen nicht aus.
Ein positives Tun des Zwischenhändlers liegt auch dann vor, wenn dessen Leistungsempfänger (Erwerber) die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der Zwischenhändler seinen Meldepflichten nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr. des Leistungsempfängers enthält, die in der sog. Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde.
Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, gilt der Nachweis, dass der Zwischenhändler den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, nur dann als erbracht, wenn er gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-IdNr. oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt worden ist.
Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, gilt der Nachweis, dass der Zwischenhändler den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, nur dann als erbracht, wenn der Gegenstand der Lieferung in seinem Namen oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung für seine Rechnung zum zoll- und umsatzsteuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.
Warenbewegungen im Verhältnis zum Drittland
Im Rahmen eines Reihengeschäfts, bei dem die Warenbewegung im Inland beginnt und im Drittlandsgebiet endet, kann mit der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands in das Drittlandsgebiet nur eine Ausfuhrlieferung im Sinne des § 6 UStG bewirkt werden. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchstabe a UStG kommt demnach nur bei der Beförderungs- oder Versendungslieferung zur Anwendung.
Gelangt im Rahmen eines Reihengeschäfts der Gegenstand der Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, kann eine Verlagerung des Lieferorts nach § 3 Abs. 8 UStG nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung in Betracht kommen. Dazu muss derjenige Unternehmer, dessen Lieferung im Rahmen des Reihengeschäfts die Warenbewegung zuzuordnen ist, oder sein Beauftragter zugleich auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein.
Gelangt der Gegenstand der Lieferungen im Rahmen eines Reihengeschäfts aus dem Drittlandsgebiet in das Inland und hat ein Zwischenhändler oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung eingeführt, sind die der Einfuhr in der Lieferkette vorausgegangenen Lieferungen nach § 4 Nr. 4 b UStG steuerfrei.
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